Tüffeln in Deutschland

Es gibt sie, auch wenn die deutschen Naturschutzbehörden davon ausgehen, dass sie ausgestorben sind und die Trüffeln der Gattung Tuber seit 1986 auf der Roten Liste stehen. Unterwegs im Osnabrücker Land habe ich dagegen allein in der Zeit zwischen August 2013 und Mai 2014 mit meinem Hund Jule 200 Stellen nachweisen können, an denen Trüffeln wachsen.
Aber lassen sie mich von Anfang an berichten. Im Mai 2012 erschien ein Artikel in der Neuen Osnabrücker Zeitung, der über Trüffeln in Deutschland handelte. Da wir gerade unseren Hund Jule, eine Mischlingshündin Apenzeller Sennen/Münsterländer, in unsere Familie aufgenommen hatten und ich nach einer sinnvollen Beschäftigung mit und für den Hund Ausschau hielt, kam mir spontan die Idee: Ich bilde Jule zum Trüffelhund aus.

Gesagt – getan, anfängliches Wissen fand ich im Internet und schliesslich auch das Angebot der mobilen Pilzschule von Herrn Dieter Honstraß zu einem Grundkurs „Trüffelsuche mit Hund“. Und nach etwa einem Jahr intensivem Training war es soweit. Jule fand im Teutoburger Wald ihren ersten, eigenständig erschnüffelten, wilden Trüffel: Tuber aestivum, ein Sommertrüffel von 105 Gramm.

Der Weg zu diesem besonderen Augenblick ist durch unterschiedliche Beweggründe motiviert. Seit meiner Kindheit gehört das Erleben der Natur, Streifzüge durch Feld und Wald auf der Suche nach immer neuen Erlebnissen und Entdeckungen bezüglich Tier- und Pflanzenwelt zu einem festen Bestandteil meines Lebens. Mit meinem Vater ging es in die Pilze, und so lernte ich schon einiges über das Suchen, Finden und Bestimmen, was mich zu einem recht erfolgreichen Pilzsammler werden ließ. Alljährlich zieht es mich so in unsere Wälder, um den heimischen Mittagstisch mit immer wieder neuen Speisepilzen zu bereichern. Der Zeitungsartikel über heimische Trüffelvorkommen traf dementsprechend auf offene Türen und weckte in mir sofort den Drang, mehr darüber zu erfahren und selber auf die Suche zu gehen.
Der Umstand, dass ich gerade zu dieser Zeit frischer Hundehalter geworden war, verstärkte diese Ambitionen nicht unerheblich. Für mich war von vornherein klar, dass mit der Anschaffung eines Hundes auch eine intensive Beschäftigung und Ausbildung des Tieres verbunden sein muss. Über das Erlernen der üblichen Grundkommandos hinaus, die unerlässlich sind, damit die Haltung eines Tieres für Familie und Gesellschaft nicht zu einer Belastung wird, braucht ein Hund Beschäftigung. Die natürlichen Eigenschaften einer guten Führbarkeit und eines hervorragenden Geruchssinns prädestinieren einen Hund für Suchspiele. Die Möglichkeit hier in unseren Breiten Trüffeln aufzuspüren, erschloss mir folglich eine Verbindung meiner Interessen mit einer sinnvollen Aufgabe für unseren Hund.

Wie fängt man so etwas aber an? Nach einigen Internetrecherchen, wobei besonders Seiten von Hundehaltern aus der Schweiz hilfreich waren, erwarb ich 50 Gramm Sommertrüffel aus Italien. Spielerisch machte ich nun unseren Welpen mit dem neuen Geruch bekannt. Und Jule erkannte schnell, dass mit dem merkwürdig riechenden Ding Lob und Belohnung verknüpft sind. Für sie sind das kleine Leckereien. Andere Hund lassen sich auch allein über die Stimme oder mit ihrem Lieblingsspielzeug entsprechend motivieren. Nach dieser Phase wurde nach und nach der Schwierigkeitsgrad erhöht. Lag die Trüffel erst offen herum und machte es Jule einfach, auf die schwarze, intensiv duftende Kugel zu reagieren, verschwand sie nun hinter Tischbeinen, Sesseln oder unter dem Teppich. Es war spannend zuzusehen, wie unser kleiner Hund mit einer riesigen Freude und kaum zu bremsender Erwartung auf dieses neue Spiel reagierte. Nach den „Indoor-Erfahrungen“ ging es dann schließlich in den Garten. Die Trüffel wurde nun zerteilt. Ein Teil wanderte für spätere Verwendung in den Gefrierschrank, der Rest wurde in kleinere Stücke geschnitten, die in mit Löchern versehene Kapseln von Überraschungseiern gelegt wurden. Diese gelben Kapseln versteckte ich nun in unserem Garten. Im Haus wartete ungeduldig Jule, um, kaum dass man die Tür öffnete, hinaus zu sprinten und dort vernehmlich witternd die tollen Dinger aufzuspüren. Der Erfolg stellte sich sehr schnell ein, und auch vergrabene Kapseln legte der Hund schon nach wenigen Tagen frei. Mittlerweile war ich mit Jule schließlich soweit, dass sie auch am Vortag im Wald vergrabene Dummies mühelos auffand. Um sicher zu gehen, dass ich auch nichts verkehrt mache, recherchierte ich weiter im Internet und stieß so auf die Seite der mobilen Pilzschule von Herrn Dieter Honstraß. Schnell wurde mir klar, dass es nicht ohne einen Grundkurs „Trüffelsuche mit Hund“ weitergehen würde. Anfang November 2012 war es dann soweit. Mit fünf anderen Teilnehmern traf ich auf Herrn Honstraß und ließ mich in das Basiswissen über Trüffeln und die Arbeit mit dem Hund in Theorie und Praxis einführen. Für mich entscheidend dabei war die Erkenntnis, dass ich als Hundeführer erheblich mehr zu lernen hatte als mein Hund. Das Erlernen, Dinge mit einem bestimmten Geruch aufzuspüren, ist, wie sich ja auch bei Jule gezeigt hat, für einen jungen Hund recht einfach. Das umfangreiche Wissen um die Trüffeln, ihre Systematik, ihr Wachstum, Bodenbeschaffenheiten und deren Analyse, Mycorrhizapartner, Zeigerpflanzen, Standortbeurteilung u.v.m. hatte ich mir anzueignen. Hier wird eine Sache besonders deutlich: Trüffelsuche mit Hund funktioniert nur als Teamarbeit! Nur mit dem entsprechenden Wissen kann ich meinen Hund so führen, dass er überhaupt eine Chance bekommt, die von ihm erwartete Aufgabe auch zu erfüllen.

In der Folgezeit trainierten Jule und ich dann kontinuierlich mit Dummies weiter. Zum Einsatz kamen nun neben den erwähnten Ü-Ei-Kapseln auch kleine Holzstückchen. Dies waren Astabschnitte von möglichen Mycorrhizapartnern, also Eiche, Buche, Hainbuche und Haselnuss. Ungefähr 2cm lang wurden diese mit einem Loch versehen, in das ein kleines Stück Trüffel hinein gedrückt wurde. Diese Aststücke verlor ich bei den Spaziergängen mit Jule im Wald. Sie verschwanden irgendwo im Laub und waren meistens für meine Augen kaum noch auffindbar. Mein Hund erschnüffelte sie auf dem Weg nach Hause meistens alle. Zusätzlich hielt ich den Kontakt zu Herrn Honstraß und fuhr mit Jule mehrmals ins Leinebergland, um mich dort mit anderen Trüffelsuchern zu treffen. Auch diese Begegnung mit anderen Suchteams ist für die Ausbildung zum Trüffelsucher für den Halter wie für den Hund besonders wichtig. Der Erfahrungsaustausch, aber auch das gemeinsame Aufsuchen von Trüffelstellen und damit der Möglichkeit, die Wahrnehmung diesbezüglich weiter zu schulen, waren für mich sehr fruchtbringend. Jule bekam von erfahreneren Hunden gezeigt, wie es geht. So fand auch sie nun nicht nur Dummies, sondern auch richtige Trüffel, entweder indem ihr eine vielversprechende Stelle gezeigt wurde, oder indem sie eine Trüffel ausgraben durfte, die von einem anderen Hund angezeigt worden war. Auf diese Art und Weise mit vermehrten Wissen und zusätzlicher Motivation versehen arbeiteten Jule und ich fleißig weiter. Was dabei entstand, war eine tiefere und festere Bindung zwischen mir und meinem Hund. Wir lernten einander lesen. Jule erkennt anhand meiner Gesten, meiner Haltung, meiner Stimme, was von ihr erwartet wird. Gleichzeitig verstehe ich mehr und mehr das Verhalten und die Bewegungen meines Hundes zu deuten. Ich sehe, wann sie eine Witterung aufnimmt und dabei, ob es sich um die Spur eines Kaninchens oder um den Duft einer Trüffel handelt. Der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten. Nachdem ich anhand einer geologischen Karte mehrere Gebiete ausgewählt hatte, die von der Bodenbeschaffenheit optimale Bedingungen für ein Trüffelwachstum boten, suchte ich diese mit meiner Hündin auf und animierte sie immer wieder, die Suche nach diesem besonderen Geruch aufzunehmen. Schließlich belohnte Jule uns mit diesem wohl einmaligen Erlebnis: der ersten ganz eigenständig gesuchten und gefundenen Trüffel! Ich behaupte, die Freude über diesen ersten Fund war bei Jule nicht geringer als bei mir. Es folgten noch weitere Funde im Umkreis dieser Stelle. Seitdem ist Jule ein echter Trüffelhund. Sie findet mittlerweile auch Trüffel, wenn sie nicht zum Suchen aufgefordert wird. Hat sie eine Stelle gewittert, zieht sie wie an einer Schnur gezogen auch über mehr als 20 Meter genau dort hin, grenzt laut schnüffelnd in Serpentinen oder enger werdenden Kreisen die Stelle ein, bevor sie anfängt zu scharren. Liegt die Trüffel nicht oberflächlich kontrolliert Jule das ausgeworfene Erdreich mit ihrer Nase immer wieder, ob sie schon etwas ausgebuddelt hat. Oft setzt sie sich neben die Fundstelle und schaut erwartungsvoll auf mich, als wollte sie sagen: Meine Arbeit ist getan, jetzt bist du dran. Und wo bleibt meine Belohnung?!

Meine Arbeit ist es dann, die Trüffel vorsichtig zu bergen, bzw. diese zu suchen, denn so manche Trüffel ist nicht größer als eine Erbse, manchmal auch kleiner. Für die Hundenase riechen diese Winzlinge nicht weniger intensiv. Für das menschliche Auge sind sie allerdings manchmal nur schwer zu entdecken. Aber auch hier habe ich gelernt, meinem Hund zu vertrauen. Wenn Jule eine Trüffel anzeigt, dann ist da auch eine.

Die meisten Funde belassen wir mittlerweile an Ort und Stelle. Einige entnehmen wir, um unter dem Mikroskop eine genaue Bestimmung anhand der Sporen vornehmen zu können und auch, um den Reifegrad anhand der Anzahl der fertig ausgebildeten, bzw. der noch nicht fertig ausgebildeten Sporen festzustellen. Alle Stellen werden mit geographischen Koordinaten mittels GPS erfasst und mit den Besonderheiten des Standortes (Bewuchs, Lage etc.) in einer Liste dokumentiert.
In Verbindung mit Herrn Honstraß gehöre ich nun der Forschungsgruppe Hypogäen an, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, das verloren gegangene Wissen um Trüffeln in Deutschland zu reaktivieren. Im Zuge dieser Forschungstätigkeit erhielt ich Ausnahmegenehmigungen für den Landkreis Osnabrück und für den Kreis Steinfurt, so dass ich mit meinen Hund systematisch die möglichen Trüffelstandorte aufsuchen und untersuchen kann und dort auch Trüffeln zur Bestimmung und zur weiteren Erforschung entnehmen darf.
Trüffeln brauchen kalkhaltige, alkalische Böden. Diese Grundvoraussetzung finden wir in den erwähnten Gebieten erfüllt. Entsprechend sind auch die Erfolge. Allein in Nieder-sachsen konnten so schon über 3000 Stellen nachgewiesen werden . Dabei hat Jule bereits über 20 verschiedene Arten aufgespürt.

Die wohl bei weitem häufigste Trüffel ist die Sommertrüffel T.aestivum bzw. die Burgundertrüffel T.uncinatum. Die früher als zwei unterschiedliche Arten geführten Trüffeln sind, wie man heute dank genetischer Untersuchungen weiss, identisch. Der Pilz ist nach meinen bisherigen Erfahrungen häufiger als die meisten Speisepilze. Jule hat Stellen nachweisen können, an denen die Trüffeln so dicht wachsen, dass man aufpassen muss, wo man hintritt. Die Fruchtkörper wachsen meist 5 – 10 cm tief und durchbrechen manchmal auch die Oberfläche leicht. Allerdings hat Jule auch schon 30 cm tief gegraben, bis die erschnüffelte Trüffel zum Vorschein kam. Ihre Partner sind im Teutoburger Wald meistens Buchen, Eichen, Hainbuchen und Haselnuss.
Wöchentlich entdecken wir neue Stellen und kommen so mehr und mehr zu der Überzeugung, dass es Trüffeln wirklich in Hülle und Fülle gibt.